So erfahre ich aus dem Hochglanzblatt: ein bekanntes Modellabel bringt einen Sneaker aus recyceltem Polyester auf den Markt, garantiert nicht atmungsaktiv, aber voll vegan.
Da vegane Weltsicht und organischer Käse doch nicht recht kompatibel sind, experimentiert man auch mit fußklimafreundlicheren Materialien zur Schuhherstellung. Eine Münchner Firma versucht es unter anderem mit Kaffee – die Sneaker sind schon käuflich zu erwerben und sollen sogar appetitlichen Kaffeeduft entfalten.
Auch Pilze, Oliven, Ananas und Mais werden auf ihre Tauglichkeit als Lederersatz geprüft. Wenn Charlie Chaplin im Film „Goldrausch“ schon solche Fußbekleidung gehabt hätte, wäre seine legendäre Mahlzeit aus gekochtem Schnürstiefel sicher schmackhafter ausgefallen. Nur leider könnte sich so ein armer Hund heute entsprechendes Schuhwerk gar nicht leisten – die Recyclingprodukte kosten ein Mehrfaches von hochwertigen Lederschuhen.
Das wird mit den hohen Herstellungskosten und auch den langen Transportwegen von und zu Spezialwerkstätten begründet. Und wenn man nicht gerade Veganer ist, darf man sich schon fragen, wie es mit der Ökobilanz dieser Produkte steht: werden bei ihrer Herstellung beispielsweise weniger Chemikalien und Wasser verbraucht als bei konventionellen Gerbereiverfahren?
Gerühmt wird die Kompostierbarkeit der neuen Latschen; das gilt langfristig aber auch für Leder, zum Ärger des Archäologen, der gerne mal eine gut erhaltene Römersandale ausgegraben hätte.
Und ich denke weiter: die Notwendigkeit, sparsamer mit den Ressourcen unserer Erde umzugehen, ist nicht zu bestreiten. Jeder Versuch in diese Richtung ist zu begrüßen. Aber damit das Projekt „Essen zu Schuhen“ wirklich umweltfreundlich greift, sollte der Recyclingkreislauf geschlossen werden. Gereinigt, geschreddert und gewürzt wird dann der Sneaker zum Double Recycled Organic Burger. Man muss das Produkt nur intelligent als Lifestyle Necessity bewerben.

Der Zug hält auf offener Strecke. Ich merke, dass ich hungrig werde.

Der Nobelsneaker aus Plastikabfällen eignet sich leider nicht fürs doppelte Recycling. Der ist für die Ewigkeit, oder wenigstens die Halbwertszeit von Polyester. Dummerweise schaut das Modell mit doppelter Brikettsohle so trendig aus, dass die betuchte Käuferin es spätestens in der übernächsten Saison wieder ausmustern wird. Und dann? Via Altkleidersammlung zu den Armen nach Afrika? Die sich aus diesem Schuh nicht einmal einen Kaffee kochen können?

Es kommt die Durchsage: an einer Baustelle wurde aus Versehen ein Kabel durchschnitten. Die Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit. In solchen Situationen geht man gerne in den Speisewagen, doch da kommt die nächste Durchsage: wegen eines Kurzschlusses ist das Bordbistro nicht in der Lage, warme Speisen und Getränke zu servieren, was aber den Kunden nicht ärgern muss, da sowieso sämtliche Vorräte schon aufgebraucht sind.

Neidvoll beobachte ich, wie der gestylte junge Mann mit dem Laptop auf der anderen Seite des Gangs seinen linken Schuh auszieht, die Einlegsohle herausnimmt und genüßlich zu kauen beginnt.