Zwiegespräche mit Drachen
kann man gegenwärtig wohl einfacher führen als einen faktenbasierten Dialog mit manchen Mitbürgern. In den Großstädten endet das oft mit Randale, hier auf dem Land verzwergt es sich gerne zur Provinzposse.
Ist das aber auch wirklich lustig - fragt nicht nur der Berichtbestatter.

Nach 2 Jahren vergeblicher Corona-Argumentation habe ich eigentlich keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. Schweigen bestärkt allerdings die Gegenseite, und Tucholsky lag durchaus richtig mit seiner Einschätzung, dass „nichts die Herrschsucht der einen mehr fördert, als die Widerspruchslosigkeit der anderen“.

Des Schwurblers Argumente – eine Murnau/Weilheimer Provinzposse

Neulich habe ich mich in Murnau zu einer Mahnwache gesellt, die sich als Gegenpart zu den besorgten Bürger verstand. Die zogen weniger besorgt als mehr fröhlich singend an uns vorbei, wobei einer sich besonders dumm-dreist benommen hat.
Als Tage darauf in der örtlichen Zeitung stand, dass eine Teilnehmerin der Murnauer Mahnwache mehrfach verbal angegangen wurde, war ein Leserbrief an die Zeitung fällig.

"Ich habe mich zu dieser Mahnwache in Murnau begeben, um mir ein Urteil bilden zu können, wie es abläuft bei Befürwortern und Gegnern von Impfungen und habe die verzerrte Selbstwahrnehmung der Impfgegner beobachten können. Gut im Gedächtnis ist mir noch eine Gestalt, die grinsend vor der Mahnwache mit einem Recorder herumtanzte, auf dem ein alter Schlager die „Herrschaft des Hasses“ beklagte, während er selber „die Liebe“ mitbrachte. Vermutlich glaubt er das tatsächlich.
Nur habe ich noch nie von einem Impfarzt gehört, der Ungeimpfte bedroht oder ihnen ungefragt eine Spritze in den Hintern gejagt hat. Hingegen dürfen impfende Ärzte und Impfbefürworter wie Frau Jones durchaus mit verbalen Attacken rechnen. Die besorgten Bürger auf ihrem „Spaziergang“ (ein von den Rechtsextremen geprägter Begriff formvollendeter Verlogenheit) sind sicher keine Extremisten, nur weil sie mit der AfD herumziehen. Es sind ganz normale Mitläufer, wie es sie zu allen Zeiten gegeben hat. Und so benehmen sie sich eben auch. Vor den einen habe ich aufgrund ihrer Haltung keinen Respekt, vor den anderen keine Achtung. Und was den vermeintlichen Hass auf die Impfgegner angeht: Wenn ich jeden Tölpel (Anmerkung 1) hassen würde, den ich auch verachten kann, dann hätte ich viel zu tun. Da kann der Spaziergänger noch so sehr mit seinem Recorder herumhüpfen. Arme Frau Jones, solche Gegner zu haben."
A. Diebold Weilheim

Anmerkung 1: Nach Rücksprache des Redakteurs wurde das Wort TÖLPEL durch GESELLEN ersetzt.

Wer sich hinter diesem Tölpel/Gesellen verbarg, war mir bis dato verborgen geblieben. Aber nicht lange, dann schlug der Getroffene zurück.

"Es ist eine skurille Querfront von Grünen, CSU und Antifa, die sich seit ein paar Wochen immer montags zu einer „Mahnwache“ gegen impfkritische Menschen an der Murnauer Mariensäule zusammenfindet. Als politisch interessierter Bürger, Stadtrat in Weilheim und selbst nicht mit einem der neuartigen Stoffe gespritzt, habe ich an mehreren Montagen versucht, sachlich mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Es war nicht möglich. „Wir müssen Ihnen ja nicht zuhören“ oder „Wir drehen uns jetzt alle um“ waren die Antworten. Es verwundert, wenn Frau Jones behauptet, „Es ist unglaublich schwierig, zu einer sachlichen Diskussion zurückzufinden“, wenn sie sich selbst einem Gespräch verweigern. Aber so ist es natürlich bequemer fürs eigene (Vor)Urteil. Es ist absolut nicht zu tolerieren, wenn Hass – egal ob anonym oder offen – verbreitet wird. Auch ich wurde letzten Sommer unter anderem als „Querdenker““Arschloch“ und „Drecksau“ beschimpft, als ich versuchte, für meine Position als Impfskeptiker zu argumentieren. Alle Menschen, die für eine freie Impfentscheidung auf die Straße gehen, in die rechte Ecke zu stellen oder sie als „ungebildet“ zu bezeichnen, ist eine absolute Frechheit. Wer sich selber unter einem Transpartent „Impfe rein – Nazis raus“ unter der Mariensäule versammelt, tut genau das. Jeder kann sich selbst davon überzeugen, dass es ganz normale Bürger sind, die ihr im Grundgesetz garantiertes Recht, für eine Sache friedlich zu demonstrieren, wahrnehmen. Diese Menschen als „Mitläufer“ zu bezeichnen, die sich von Rechten instrumentalisieren lassen, dient dazu, deren berechtigte Sorgen zu delegitimieren und seine eigene politische Agenda durchzusetzen."
U. Klinkicht. Weilheim

Die eigene Agenda durchzusetzen wäre ein angenehmer Nebeneffekt, ist aber nicht die Ursache meiner Behauptung. Immerhin hat sich der Schwurbler damit kenntlich gemacht. Er ist Stadtrat in Weilheim, meinem Wohnort. Wieder einmal ein Grund zum Fremdschämen bei Besuchen in Murnau.
Aber so stehen lassen kann man diese Replik natürlich nicht. Also wird gekontert. Wobei ich fair genug bin, gleich zu Anfang den positiven Aspekt seines Leserbriefs herauszustellen.

"Na, also. Da habe ich ja doch etwas bewirkt mit meinem Leserbrief. Herr Klinkicht hat auf den Begriff „Spaziergang“ für die wöchtentlichen Demonstrationen verzichtet. Mehr Einsicht war aber auch nicht zu erwarten gewesen. Lieber auf Grundrechte wie das Demonstrationsrecht verweisen und mit dem Finger auf die zeigen, die sie ebenfalls wahrnehmen. Verbunden natürlich mit dem Klassiker, eine Antifa zu sehen, wo sich keine befindet. Wenn Herr Klinkicht letzten Sommer (wo auch immer, von Murnau hat er nichts geschrieben) bei einer Diskussion mit unflätigen Kraftausdrücken belegt wurde, ist das eine Sache. Sein Verhalten in den letzten Wochen eine andere. Mir wurde er jedenfalls bekannt als der Mann ,der einmal mit schlechter Musik aus dem Recorder und die Woche danach mit einer Kuhglocke samt selbstgefälligem (Anmerkung 2) Grinsen vor der Mahnwache herumgetanzt ist. Natürlich ohne Abstand und Maske. Der sachlichen Diskussion ist dergleichen nicht förderlich. Damit lassen wir es in Murnau mal gut sein. Der Mann kommt schließlich wie ich aus Weilheim, wie seinem Leserbrief zu entnehmen war, und da wurde letztens die grandiose Entdeckung gemacht, dass man Demonstrationen durchaus anmelden kann. Auch hier hat sich schnell eine Mahnwache gebildet. So werde ich ihm wohl wieder begegnen. Ob mit Musikrecorder, Kuhglocke, Tröte oder gar mit Argumenten wird sich ja herausstellen. Von mir hat er keine der von ihm genannten Beschimpfungen zu befürchten. Es ist ja schon alles gesagt."
A. Diebold, Weilheim

Anmerkung 2: „selbstgefällig“ wurde vom Redakteur gestrichen.

Zugegeben, im letzten Punkt habe ich mich geirrt. Es ist längst nicht alles gesagt. Der Stadtrat greift abermals zur Feder und überführt mich zweier böser Irrtümer.

"Es freut mich, dass ich den beiden Herren (Anmerkung 3) in diesen ach so tristen Zeiten eine kleine Freude bereitet habe. Aber nun zu den Fakten.Es ist für mich kein Problem, wenn auf einer Gegendemonstration andere Meinungen geäußert werden. Es ist aber sehr wohl ein Problem, wenn Menschen dabei pauschal als Nazis verleumdet werden. Auf dem mehrere Quadratmeter großen Transparenten mit dem Spruch „Impfe rein – Nazis raus“ war deutlich das Logo der Antifaschistischen Aktion (zwei Fahnen in einem Kreis) zu sehen. Es macht es auch nicht besser, wenn sich die Grünen und/oder die CSU ihre Demonstraions-Utensilien neuerdings bei der 2018 vom Wissenschaftichen Dienst des Bundestages als „Strömungen des linken bis linksextremen Szene“ eingestuften Antifa ausleihen. Übrigens: Es gab keine Maskenpflicht für den Demonstrationszug. Es war keine Kuhglocke sondern eine Kuhschelle, es war kein Musikrecorder, sondern ein Bluetooth-Lautsprecher. (Anmerkung 4)"

Anmerkung 4: Der Leserbrief geht noch weiter, setzt sich aber mit einem weiteren Kritiker seiner Darstellung auseinander und ist deswegen hier nicht eingestellt. Daher auch die (Anmerkung 3) Bezugnahme „beider Herren“.

Jetzt hat er mich. Ich bekenne mich schuldig, den Bluetooth-Lautsprecher des Herrn Klinkicht bei seinem Veitstanz nicht als solchen erkannt zu haben. Auch die Verwechslung von Kuhglocke und Kuhschelle geht auf meine Kappe. Das ist mir allerdings Glocke wie Schelle, zumal, wenn's der gleiche Ochs' ist, der damit bimmelt.
Noch schlimmer, er hält sein Getue für ein treffliches Argument seiner Sache. Wenn seine verbalen Argumente im letzten Sommer von ähnlicher Qualität gewesen sind wie seine pseudomusikalischen Darbietungen mit Bluetooth und Schelle, würde das die gegen ihn im letzten Sommer vorgebrachten Beschimpfungen in Teilen erklärbar machen.

Dass es bei der Demo keine Maskenpflicht gab, war mir durchaus bekannt. Wenn aber in Zeiten der Hochansteckung ohne Maske und Abstand lärmend durch die Gegend gelatscht wird, nur weil man's kann, dann beweist dies lediglich, dass das vielbeschworene „Miteinander“ eine Phrase ist.

Kapiert hat der besorgte Lärmbürger aus dem Weilheimer Stadtrat ohnehin nichts. Obwohl ich ihn eindeutig als Mitläufer beschrieben habe, behauptet er auch in seinem zweiten Leserbrief wieder, man würde ihn als Nazi verunglimpfen.

Noch lustiger wird es mit dem Fingerzeig auf die Antifa. Ich weiß nicht, ob er diese Zeilen je liest. Vielleicht trägt's ihm ja jemand zu. Dann wird er hier zu seiner Überraschung lesen, dass es bei seinen harmlosen spazierenden Gesinnungsgenossen reichlich Extremisten gibt, sogar amtlich bescheinigt vom Verfassungsschutz. Es sind halt keine Linken, die Damen und Herren von der AfD. Und die müssten sich nicht einmal Fahnen ausleihen. Sie haben ihre eigenen.

Eigentlich sollten wir jetzt Mahnwachen gegen den Gesundheitsminister anleiern, der nichts tut, um das renditeorientierte Gesundheitssystem umzubauen. Stattdessen muss sich unsereins mit der Dummköpfigkeit einer Minderheit von Schreihälsen auseinandersetzen, was die Kräfte engagierter Bürger bindet und den Rechtsextremen in die braunen Hände spielt.

Das letzte Wort im Murnauer Tagblatt soll er gehabt haben, der Herr Stadtrat. Dafür habe ich die Argumente auf meiner Seite.