Wer anfängt zu lügen...
Wenn ich aus meinem Fenster schaue, 100 Stufen hoch, liegt mir Frankreich zu Füßen.
Na nicht das ganze vielleicht, nicht die Normandie und nicht die Midi.
Aber reichlich Versailles, Paris in großem Stil, dazu Sedan, Weißenburg,Wörth. Letztere die Orte unserer siegreichen Schlachten im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.

Wenn ich aus meinem Fenster schaue, 100 Stufen hoch, schaue ich dichter als auf Frankreich auf denjenigen herab, der, sag ich mal, das alles verursacht hatte. Meine Straße heißt nach Max Schneckenburger (1819 bis 1849), und nur wenige werden sich so lala daran erinnern: der hat doch die WACHT AM RHEIN geschrieben. Und sich eher daran erinnern wie an eine dieser Rhein- und Schunkel-Schmonzetten, die vor Zeiten noch im Radio gesungen wurden von Willi Schneider :“Beim Wirt zum Rolandsbogen / am Rhein am Rhein….“:

Die WACHT AM RHEIN wurde im August 1914 auch, und so steht in seinem jüngst wieder aufgelegten MEIN KAMPF, in dem Truppentransport gesungen, der ihn, den Schicklgruber nach Frankreich brachte. „Mit dem Herz in der Kehle“.

„ Aber dieser Schneckenburger hat doch nicht an den Teufelssoldaten Schicklgruber gedacht oder an den Ersten Weltkrieg !!! „

Nicht so schnell, Freunde. Max Schneckenburger war kein Dichter, sondern ein Schwabe aus der Metallindustrie. Er hat die Reichsgründung nicht mehr erlebt. Und der schwampfige Schluß „Lieb Vaterland magst ruhig sein/ fest steht und treu die Wacht am Rhein“, samt Melodie, ist erst 1870 drangeklebt worden. Einer fängt an zu lügen, pflanzt ein falsches Bild in die Schädel. Andere treiben das weiter.

„Aber Schneckenburger ist doch kein Schuldiger ! Kein ‚Der-hat-aber-als erster-mit-mitgemacht’ !

Ach, Mitdemokraten, es wimmelt nur von solchen, die nicht selbst mitgemacht haben. Wer 68 bei der Demo dabei war und zuerst Flaschen geschmissen hat - war der ein Erst-Täter ? Vor allem, als dann nur noch Pflastersteine zur Hand waren? Oder Großvater Ernst, als er nach der Reichspogromnacht den Konzertflügel des jüdischen Mitbürgers ersteigerte, den er nicht mal „persönlich“ kannte. Oder der Onkel Theo, als er im weißrussischen Schtetl den Flammenwerfer auf die jüdischen Häuser lenkte….
(Alles nur Platzhalter.)

Nachdem Napoleon I. durch die reaktionäre „Heilige Allianz“( Preußen, Österreich, Russland ) beruhigend niedergerungen war, (immerhin hatte er den besetzten Gebieten das Bürgerliche Gesetzbuch, das dezimale System und die Judenbefreiung hinterlassen) hatte Frankreich beim Wiener Kongress die linksrheinischen Gebiete an Preussen verloren.
1840 stellte die französische Regierung diese Beschlüsse in Frage. Die Rheinkrise wurde diplomatisch beigelegt, aber da war die deutsche Nationalstimmung gegen die übergriffigen "Welschen" schon angeheizt. Und tumbe Gelegenheitsdichter wie Schneckenburger hatten ihren großen Auftritt.

„ Und ob mein Herz im Tode bricht,/Wirst du doch drum ein Welscher nicht./ Reich, wie an Wasser deine Flut,/ ist Deutschland ja an Heldenmut“.
„Durch hundertausend zuckt es schnell / und aller Augen blitzen hell :/der Deutsche, bieder, froh und stark,/beschützt die heil’ge Landesmark.“

Nein, ich will nicht in einer Straße leben, die nach einem ahnungslos biederen Dorfdimpfel benamst ist.
Als ich einem Romanisten das mit dem Dorfdimpfel vorlegte ( er wohnt 30 Stufen tiefer ), erwiderte der: da müsste man ja das ganze Franzosenviertel umbenennen ! Franzosenviertel nennt man mein Viertel in München – und warum eigentlich nicht ? Wie viele ungefragte französische Soldaten hat es seinerzeit das Leben gekostet, um die Sedan-, Weißenburg- und Pariserstraße vor meinen Füßen zu verankern?

“Er blickt hinauf in Himmelsau’n/ da Heldenväter niederschau’n,/und schwört mit stolzer Kampfeslust :/ du Rhein, bleibst deutsch wie meine Brust !“
(Lieb Königgrätz, magst ruhig sein.)
“So lang ein Tropfen Blut noch glüht,/noch eine Faust den Degen zieht,/und noch ein Arm die Büchse spannt, / betritt kein Feind hier deinen Strand !“
„Der Schwur erschallt, die Woge rinnt./Die Fahnen flattern hoch im Wind. /Am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein/wir alle wollen Hüter sein !“

Der Autor dieses Ungedichts („Setzen. Sechs !“hätte wohl Professor Friedrich Rückert gesagt) hat die Landesmark nicht beschützt. Er, der Erst-Lügner, ist in der Schweiz verstorben. Geschäftshalber. Als man ihn später ins Schwäbische umbettete, sollte er ein Denkmal haben. Wo doch der oberste Soldat des Volkes seine Verse froh über den Rhein geschmettert hatte! Das Denkmal verfertigte Fritz von Graevenitz,(1892-1959) Schwager von Ernst von Weizsäcker, (1882-1951) dazu Kunstakademiedirektor und auf der „Gottbegnadetenliste“ enthalten, die Schicklgruber persönlich anfertigte und in der er alle Künstler aufführte, mit denen er 1944 seinen Krieg noch zu gewinnen hoffte.

Ob er dabei die WACHT AM RHEIN pfiff, ist leider unbekannt.
Das Denkmal steht und steht seit 1937 in Thalheim bei Tuttlingen.

Wer als erster lügt, der wird in Stein gehaun.