In der Miniserie „Ein Kartenhaus“ (gemeint ist nicht der amerikanische Aufguss HOUSE OF CARDS, sondern das britische Original, das nach Margret Thatchers Tod spielt) knöpft sich der Fraktionschef einen seiner Abgeordneten vor. Der war von einem Reporter in einem Bordell erwischt worden und es drohten böse Berichte in der Klatschpresse. Der Abgeordnete wird also zum Fraktionschef zitiert und dieser exerziert am Hinterbänkler seine Führungsqualitäten.
Zunächst malt er das maximal Schreckliche aus, indem er auf den Schaden für die Karriere des Erwischten und den Imageverlust der gesamten Partei hinweist, wenn sich die Presse über die Bordellgeschichte hermachen sollte.
Der Abgeordnete, ohnehin schon ein Häuflein Elend, sinkt immer mehr in sich zusammen.
„Aber zum Glück haben wir Verbindungen zum Herausgeber. Es ist uns gelungen, die Veröffentlichungen zu verhindern,“ fährt der Fraktionschef fort und während der erleichterte Hinterbänkler sich vor Dankbarkeit nicht mehr einkriegt, schiebt der Fraktionsvorsitzende nach, dass dem Vernehmen nach der Hinterbänkler vorhätte, bei der kommenden Sitzung gegen die Fraktion zu stimmen.

„Tun Sie's nicht!“ Drei Worte wie drei Peitschenhiebe.

Der Abgeordnete schwört Stein und Bein, bei der Parteilinie zu bleiben und darf sich trollen. Fazit zwischen Fraktionschef und seinem Stellvertreter: „Ein widerliches Männchen. Wenn er mein Hund wäre, würde ich ihn erschießen.“ Was allerdings unnötig gewesen wäre – natürlich hat er ganz nach Wunsch abgestimmt.

Soweit die Fiktion, die aber keine wirkliche Fiktion ist, weil der Autor einst Berater und Redenschreiber für Margret Thatcher war und wusste, wovon er schrieb.

Und wie ist die politische Realität? Hier ein älteres, aber eben auch klassisches Beispiel. In den 90igern hielt die Münchner CSU-Chefin, die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, ein Aktenbündel hoch, um die unbotmäßigen Mitglieder zum Mitziehen ihrer Pläne zu bewegen und verließ die Sitzung mit den Worten „Ich hab' gegen jeden was von euch in der Hand“ aktenwedelnd den Raum.

Wenige Tage später war sie weg vom Fenster. Von der Parteispitze zum Abdanken gezwungen und bald darauf ins EU-Parlament abgeschoben. Die CSU muss nach außen hin geschlossen agieren, das ist unabdingbar; es sei denn, zwei Alphatiere balgen sich gerade um die Macht in der Staatskanzlei. Aber das ist eine andere Geschichte.
Frau Hohlmeier darf jetzt in Brüssel Maskendeals einfädeln, hat ansonsten nur noch geringen Einfluss und wäre heute wohl in anderer Position, wenn sie rechtzeitig die Miniserie „Ein Kartenhaus“ in der ARD angesehen und daraus gelernt hätte, dass man keine offenen Drohungen ausstößt, sondern die Vorzuknöpfenden einzeln hinter verschlossener Türe mit den skandalträchtigen Akten konfrontiert.

Warum ist mir das dieser Tage wieder eingefallen?

Ach ja, ich habe die Rücktrittsrede des österreichischen „Altkanzlers“ Kurz gehört. Und der mag jetzt mit 35 Jahren Politrentner sein, klüger und verschlüsselter als der Österreicher droht hier im deutschen Lande auch nicht einer der ältesten Hasen. Aber es geht es ja auch um nichts mehr als um das Ansehen in der Geschichtsschreibung. Und nicht um interne Spezl-SMS.

Der Schlüsselsatz der Abschiedsrede von Kurz vor der Presse lautete so:

„Ich freu mich persönlich auf den Tag, auch wenn's Jahre dauern kann, wo ich vor Gericht auch beweisen kann, dass die Vorwürfe gegen MEINE Person schlicht und ergreifend falsch sind.“

17 Minuten Erklärung, aus denen locker 37 Minuten geworden wären, hätte Kurz erläutert, warum er dieses „MEINE" so eigentümlich ausgesprochen hat. Nicht über-, aber doch deutlich mehr betont als den Rest des Satzes.

Hier meine, aus langjähriger Beobachtung politischer Abläufe resultierende Erklärung:
Es handelt sich um die verklausulierte Drohung an die Parteifreunde, seine Unschuld nicht infrage zu stellen. Und es beinhaltet Sätze wie: "Sündenbock mach' ich euch nicht. Solltet ihr, verehrte Parteifreunde, euch erdreisten, MEINE Unschuld in Frage zu stellen, dann sage ich euch schon jetzt: TUT ES NICHT. Ich hab' gegen jeden von euch was in der Hand, ich schweige - vorerst - und erwarte von euch als Gegenleistung nichts geringeres als eine lebenslange Verteidigung meiner persönlichen Leistungen für das Land Österreich. Einige aus der Regierung sind schon mit mir gegangen, aber die Mehrheit ist noch da und will weitermachen. Ich kenn' sie alle, mit all ihren Schwächen, ihren Verfehlungen, bis in die kleinsten Verästelungen der Partei. Also macht's was ihr wollt's, hängt's hin, wen ihr wollt's, aber ICH bleibe unantastbar."

Das Gebirge der Chatprotokolle, das Kurz zu Fall gebracht hat, ist übrigens erst zu einem Drittel ausgewertet. Mag da noch kommen, was will, es gilt jetzt: „Keine Kritik an mir, Freunderln! Denn wenn ich auspack', könnt's ihr einpacken.“