Ich liebe die englische Sprache. Mit ihren vielen Einsilblern kann der Dichter knackige Reime und Verse finden, und Songtexte für Rockballaden sowieso. Außerdem gelingen in diesem Sprachraum offenbar häufiger Wortschöpfungen, die das Gemeinte in knappe drei Silben packen.

Ein Gamechanger ist eine Person oder auch eine Technologie, die eine Entwicklung nach neuen Regeln in eine neue Richtung zwingt. Bestseller, Cliffhanger, Blockbuster – wer für diese Begriffe innerhalb einer Minute ein ebenso aussagekräftiges deutsches Wort unter 20 Anschlägen ausspucken kann, der oder die hat einen maulenden Leserbrief über diese ewigen Anglizismen frei.

Ein besonders nettes Exemplar ist mir neulich begegnet: der Crowdpleaser. Missfallen hat mir nur, dass ihn eine Theaterkritikerin der SZ für Shakespeare und seine Stücke verwendet hat. Natürlich musste der Mann in seinem Globe Theatre auch das Unterschichten-Publikum mit einfallsreichen Morden und krachenden Späßen bedienen, weil es bei Langeweile mit fauligem Gemüse geworfen hätte. Aber der Dichter hatte darüber hinaus noch mehr zu bieten als ein echter Crowdpleaser wie, sagen wir mal, Andreas "der Oasch" Gabalier. Ach ja: ein englischer Freund hat jüngst meine hinten zu kurze Winterweste als einen Bumfreezer bezeichnet.

Ich liebe solche Wortknaller und zucke auch nicht zusammen, wenn das Volk shoppen und sich stylen und upgraden will. Meine Schmerzgrenze ist auch noch nicht ganz erreicht, wenn jenseits von Arbeits-und Warenwelt irgendjemand wieder irgendwas triggern oder performen muss.
Aber müssen deutschsprachig aufgewachsene Kultur-und Medienprofis wirklich auch noch claimen, changen, challengen? Ein Co-Signing suchen oder fragen, wie weit wir uns committen können? Brainstormed darüber in einem Safe Space ein Know-How-Redaktionsteam, ohne aber die woke Toolbox dafür zu haben? Haben wir dann endlich ein Point taken?
Muss eine Rapperin mit höherer Schulbildung wirklich erklären: “Ich hatte keinen Text zu dem ich relaten konnte“?
Muss eine angesagte Nachwuchsregisseurin immer wieder “preachen“?

Warum müssen keineswegs dumme junge Leute wie die Opfer eines launischen Übersetzungsprogramms reden?

Wird da ein ähnliches Interesse sichtbar wie früher einmal beim gebildeten Bürgertum, das sich besonders weltläufig und auf der Höhe der Zeit präsentieren wollte, damals mit grob verwurstetem Französisch? Da wurde dann in gehobenen Kreisen acharniert parliert, man war affiziert, bouleversiert, debauchiert.
Diese frankophilen Sprachmerkwürdigkeiten verschwanden wieder, spätestens nach dem Ende des ersten Weltkriegs, wohl auch weil neue politische Gamechanger die Jugend für die Rettung des gut Deutschen zu begeistern verstanden.

Eine solche Rückwendung allerdings wünsche ich mir nicht, und ich verteidige hier auch nicht „The Awful German Language“ (Mark Twain), die –gefühlt – in letzter Zeit nur noch die Unwörter des Jahres hervorgebracht hat, und das mit einem schlappen Wumms.

Aber ich liebe die englische Sprache und kann es nicht liken, wenn sie wie ein Schminkkasten für Selfies benutzt wird, aus dem man sich beliebig zur Selbstoptimierung bedienen kann.

Dieser Gedichtanfang „ She walks in beauty like the night…“von Lord Byron! Oder das Klagelied von W.H.Auden zum Tod seines Freundes: „Stop all the clocks, cut off the telephone….“(bitte selber lesen!)

Zum Teufel, Deutsche, Österreicher und Schweizer! Mit einer Sprache, in der solche Zeilen möglich sind, saut man nicht herum!
Aktueller Nachtrag!
Heute hat mir mein Freund G. aus M. ( der mich im Übrigen auch schon mit einer ganzen Liste von Sprachgräßlichkeiten für den o.g.Beitrag beliefert hat, dankeschön!) brandneu gemeldet:
im Literarischen Quartett vom 3.12. habe die Moderatorin und Autorin Thea Dorn eine Stimmung beschrieben, die "re-enactmentmäßig vorkommt"!.

Lieber Marcel Reich-Ranicki, könnten Sie nicht mal kurz als Wiedergänger vorbeischauen und Ihr Pseudo-Nachfolgepack so zusammenstauchen, daß es von weiteren Vergräßlichungen welcher Sprache auch immer ablässt?