„Jetzt haben wir wieder mehr Neuinfektionen!“ A. faltete geräuschvoll die Zeitung zusammen. „Und das wegen ein paar Idioten, die unbedingt ins Ausland reisen müssen. In Risikogebiete!“
„Aber es ist doch positiv, dass die meisten Deutschen hier im Land Urlaub machen!“, meinte sein Freund B.

„Nein!“, schrie A. so laut, dass Gäste an den entfernten Tischen herüber schauten. „Alle kommen zu uns nach Bayern, und wir haben Staus, zugeparkte Einfahrten, E-Bike-Rambos und Rentnerpulks auf den Radwegen, Warteschlangen am Klettersteig, Wildcamper im Naturschutzgebiet und überall Dreck und Müll. Was soll daran positiv sein, wenn ich nicht mehr im Wald spazieren gehen kann, ohne in die Scheiße dieser Gäste zu treten?“

„Dann wirst du es umso positiver sehen, wenn diese Leute nach Corona wieder im Ausland ihren Müll lassen dürfen. Und musst dich nicht wieder bis zum Infarkt aufregen über die Billigflieger und Klimakiller.“
„Jaja, künftig werde ich jeder Maschine in Richtung Süden nachwinken“, knurrte A.

B. fühlte sich heraus gefordert. „Anderes Beispiel: Auch wenn du nicht mehr von Bullen sprichst, ist dein Verhältnis zu unserer Polizei immer noch, sagen wir, reserviert. Aber sind die Jungs und Mädels gegenwärtig nicht einfach zu bemitleiden? Müssen sich als Partystörer und Spaßkiller beschimpfen und mit Flaschen bewerfen lassen, nur weil sie einer Wohlstandsjugend die Grundprinzipien bürgerlichen Zusammenlebens beibringen sollen? Wäre jetzt nicht die Zeit für eine positivere Einstellung den Ordnungshütern gegenüber?“
A. nickte. „Ich wollte ja eine größere Summe in den Hilfsfonds für Polizeihunde mit Burnout spenden, aber ich warte erst mal, ob nicht noch mehr Polizisten bei Querfront-Demos auftreten.“

B. gab nicht auf. „Du hast doch geklagt, am Morgen in der U-Bahn, im Zug die grantigen Gesichter deiner Mitfahrer anschauen zu müssen. Jetzt ist dank der Maskenpflicht schon die Hälfte davon bedeckt!“
„Der Rest reicht meistens auch, um mir die Laune zu verderben. Ebenso die geschmacklosen Muster dieser Lappen.“

B. gab immer noch nicht auf. „Du hast diese Bussi-Bussi-Begrüßungen immer lästig gefunden – jetzt hast du die beste Entschuldigung, wenn du der Knoblauch-Parfummischung unserer alten Freundin C. nicht zu nahe kommen willst.“
„Neulich hat ein Kollege beim Ellenbogengruß daneben gezielt und mir fast zwei Rippen gebrochen“, warf A. ein. „Noch mehr Positives?“

„Du kannst in Lokalen mit dem Hinweis auf die Vorschriften – Abstand halten! – verhindern, dass sich unerwünschte Bekannte an deinen Tisch setzen. Und kürzlich hat die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Knigge Gesellschaft in einer Talkshow gesagt, sie würde die aufgeklebten Streifen vor den Supermarkt-Kassen „genießen“, weil sie den Menschen anzeigten, was Abstand und Rücksichtnahme bedeuten…“
„Die Dame ist eine Zicke, und du nervst!“ sagte A.
„Und du bist ein hoffnungsloser Fall“, gab B. zurück.

A. hob den Kopf und schnupperte. „Hier riecht doch etwas, wie...wie eine Mischung aus Knoblauch und Parfum!“
B. nickte. „Unsere alte Freundin C. im Anmarsch.“
„Oh Gott, wenn die sich an unseren Tisch setzt, schmeckt mir das Essen nicht mehr. Außerdem hört sie nicht auf zu quasseln! Was machen wir jetzt?“
B. lächelte fein. „Man könnte sich auf das Positive besinnen.“