Wunderbare Welt der Schrottpost

In memoriam Rolf Thym - vom 7.7.2020


Ich weiß noch genau, wie das war, damals Anfang der 1990er Jahre: Überall in den Elektrofach-märkten standen diese wunderbaren Aufklapprechner zu Preisen um die 2000 Mark, wenn man was Gescheites haben wollte. Und an der Kasse gab es kostenlose Silberscheiben von einer Ami-Firma, die das wahre Wunder versprach. Silberscheibe in den Aufklapprechner schieben, dann hier drücken und dann da, und schon war man in einer Welt, die sich Internet nannte. Und das Tollste überhaupt: Ich konnte sogar ein Postfach aufmachen, das nannte sich dann E-Mail.
So wurde ich Mitglied der anfangs noch überschaubaren Internet- und E-Mail-Familie, die sich schnell - viral würde man heute sagen - in der Welt verbreitete.

Mit dem Internet und der E-Mail gründete sich ein bis dahin völlig unbekannter Berufsstand namens Hacker. Einer von diesen Hackern hackte mal irgendeine große Rechenmaschine, auf der meine E-Mail-Daten lagen, und schon bekam ich laufend Elektropost von lauter netten Leuten, die mir zwei Millionen Dollar versprachen, wenn ich für sie eine kleine Finanztransaktion organisieren würde. Oder die mich mit Leila aus New Hampshire und ihrem kostengünstigen Stripteaseservice bekannt machen wollten. Oder die mir die unglaublichsten Shoppingmöglichkeiten anboten, wenn ich meine Kreditkartennummer angeben würde.

Allein fehlten mir Zeit und Geld, um all diese herrlichen Sachen und Dienstleistungen zu erwerben. Und weil diese Art der Elektropost immer mehr und mehr wurde, lernte ich, wie ich meinem Mail-programm sagen konnte, wohin es sich diese Angebote stecken konnte - ins Spam-Postfach.

Schon lange habe ich da nicht mehr hineingeschaut. Neulich aber habe ich den Ordner aus Gründen der Festplattenhygiene aufgemacht und entdeckt, dass ich jetzt ein „Dear Fellow Conservative“ bin. Ein gewisser Donald Trump und ein ebenso gewisser Donald Trump jr. mahnen mich schon seit geraumer Zeit, dass ich zu den Auserwählten gehöre, die den drohenden Weltuntergang abwenden können, indem sie Geld für Mr. Trump spenden, damit der den kommunistisch-sozialistisch-feministisch-queer-ökologisch unterwanderten Demokraten für alle Zeiten den Garaus machen kann. Dafür sind auch kleinere Beträge willkommen, so ab 100 Dollar aufwärts.

Nun ist es wohl so, falls die FakeNews der New York Times stimmen, dass dieser Herr Trump ein Milliardär sein soll. So einer will Geld von mir? Wo doch das Schreiben für den Jammertalboten überhaupt nix einbringt, nicht mal Hassmails. Hat sich der arme Donald verzockt? Geld in Wirecard gesteckt? Seiner Frau die Kreditkarte zum Shoppen überlassen? Zuviel an russische Hacker be-zahlt? Pleite gegangen beim Hamsterkauf von trinkbarem Haushalts-Desinfektionsmittel?

Noch dazu ist es ja nicht völlig undenkbar, dass Donald im November auch noch seinen Wohnsitz verliert. Das schaut nicht gut aus für ihn. Aber mein Spam-Postfach weiß was: Laufend bekomme ich jetzt auch Mails, in denen neue Jobs in Blackwell angeboten werden. Ich weiß nicht, wo Blackwell liegt. Aber ich werde Donald das mal schicken. Vielleicht hilft´s ihm ja.