Am 7.11.1933 wurde meine Großtante, die Marie Pflieger aus Ingolstadt, 1927 aus Deutschland als Wirtschaftsmigrantin auf der Suche nach einem besseren Leben ausgewandert, nachgewiesen durch den Eintrag im Einbürgerungsregister eine Bürgerin der USA .
Ungefähr ein Jahr später, aufgeschreckt durch Nachrichten aus der alten Heimat und die düsteren Andeutungen ihrer jüngeren Schwester, riet sie dieser, zusammen mit ihrem Ehemann ebenfalls in die USA auszuwandern, so lange das noch möglich sei. Sie selbst könne ihnen bei dem Schritt auch behilflich sein. Die Wally (meine Großmutter) als Näherin und der Leonhard (mein Großvater) als Automechaniker könnten auch in dem freien Land Amerika Arbeit und ein gutes Auskommen finden.
Nicht so schön wäre es zwar für die Tochter (meine Mutter), die bereits eine höhere Schule besuchte, aber Kinder gewöhnten sich erfahrungsgemäß schnell an andere Lebensumstände, und die kleine Hilde lerne doch recht fleißig die englischen Vokabeln.
Ein weiteres Jahr später wäre es dann schon nicht mehr, wie bei der Großtante, die "Albert Ballin" gewesen, die solche Auswanderer über den Ozean befördern konnte, denn auf Drängen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda war das ehrwürdige Dampfschiff 1935 in "Hansa" umbenannt worden - weil der Namensgeber Albert Ballin Jude war.
Zu einer Auswanderung der Großeltern kam es aber nicht, sie fürchteten offensichtlich das unbekannte Neue mehr als den bekannten Schrecken und zogen es vor, in Unauffälligkeit geduckt und in stummem Groll die „Hitlerei“ zu überleben.
Sie waren ängstlich, vielleicht darf man sagen, als alte Sozialdemokraten sogar feige, aber dafür bin ich ihnen dankbar. Sonst wäre ich vermutlich auch eine Bürgerin der USA.
Und wohin könnte ich jetzt auswandern?
- Restmüll
- 28.01.2025
Die Autorin , rechts außen, wartet im Auswanderermuseum Bremerhaven auf das Schiff.