I`ll be watching you!




Wer? Wie? Warum?
Wache Leserinnen und Leser recherchieren mal unter "Datenbrille" oder lesen einfach weiter...
Ich seh etwas…

Der abgeschlossene Roman in 9 Kapiteln
1.
Der Facebookkunde A. bekommt von einem bekannten Hersteller modischer Sonnenbrillen das Angebot, exklusiv eine neuartige Kamerabrille zu testen. Mit dieser kann man, ohne dass es irgendjemand bemerkt, fotografieren, sogar filmen. A. erklärt sich freudig bereit – er hatte immer schon ein besonderes Interesse an der Beobachtung fremder Aktivitäten, Überwachungskamera an der Haustüre, versteckte Kamera zum Nachbargrundstück, diverse Fernrohre, u.a. mit Nachtsichtfunktion, alles Sonderangebote aus dem Internet. A. hält somit seine Wahl für einen ausgesprochen glücklichen Zufall. Die Angabe verschiedener persönlicher Daten für die Übergabe ist reine Routine.
2.
A. erprobt die Brille in seinem Stammcafé „bei Rico“. Als erstes fotografiert er auf der Herrentoilette Wasser lassende Gäste, aber auch turtelnde Pärchen im Café. Eine längere Aufnahme von zwei besonders Verliebten, die, sich unbeobachtet glaubend, ungeniert Hände und Zungen spielen lassen, setzt er in alle von ihm genutzten sozialen Medien- „Erwischt!“
3.
Der Künstler B. wird vor seinem Stammcafé“ bei Rico“ Opfer einer Überraschungsattacke. Ein Mann reißt ihm die Sonnenbrille herunter und zertrampelt sie auf dem Boden. Bei dem Angreifer handelt es sich um den Software-Designer C., den männlichen Teil des Turteltaubenpaares, der aus verschiedenen Gründen über die Veröffentlichung der Aufnahme nicht begeistert ist. Er hatte zwar die richtigen Schlüsse über das Zustandekommen gezogen, aber den falschen Mann erwischt und den unschuldigen B. wegen seiner auffallenden Sonnenbrille für den schuldigen Voyeur gehalten.
4.
Ein Streit zwischen zwei Männern in einem Baumarkt muss durch Eingreifen der Polizei beendet werden. Herr D., der Ehemann des weiblichen Teils der Turteltauben, dem netzaffine Freunde die kompromittierende Aufnahme zugespielt haben, glaubt in dem Kleinunternehmer E. das Gschpusi seiner Gattin zu erkennen, überzieht ihn mit derben Beleidigungen und schubst ihn schließlich in ein Regal mit Haustierfutter.
5.
Brillentester A. wundert sich ein wenig über stark vermehrte Werbung auf I-Phone und PC, mit den Schwerpunkten „Immer noch alleine?“ und „Hilfe bei Blasenproblemen“.
6.
Kleinunternehmer E. plant Rache für die Attacke im Baumarkt. Er konnte unbemerkt ein Handyfoto von dem wütenden Ehemann D. machen und stellt es jetzt, im Fotoshop bearbeitet und mit einem Geweih versehen, in alle von ihm genutzten sozialen Medien.
7.
Bei der Netzsuche nach einer „attraktiven, temperamentvollen Gespielin“ stößt der frustrierte Ehemann D. zufällig auf dieses Foto und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Sein 14jähriger Sohn erkennt den Ernst der Lage. Es gelingt ihm, den Mailaccount des Kleinunternehmers E. zu hacken, was seinem Vater interessante Informationen verschafft, z.B. von E.`s Prahlerei über jahrelangen Steuerbetrug.
Das Schmähfoto verschwindet aus dem Netz, aber Herr D. selbst bekommt noch lange danach ungefragt die Adressen von Scheidungsanwälten sowie Angebote für potenzsteigernde Präparate. Von „temperamentvollen Frauen gleich in der Nähe“ ganz abgesehen.
8.
Brillentester A. besucht den Vortrag eines bekannten Corona-Impfgegners, um ein paar neue diskrete Aufnahmen zu machen. Als der Redner vor den mit der Spritze verabreichten Überwachungschips warnt, steht der Künstler B. auf und verkündet, das sei alles Quatsch, die großen Konzerne hätten es nicht nötig, sich auf diese Weise Informationen zu erschleichen, das Konsumentenvolk würde ihnen Details über seine Konsum-und Sexualgewohnheiten tagtäglich via Internet freiwillig in der Rachen werfen. Besonders dämliche Exemplare würden sich neuerdings diese Brillen aufschwatzen lassen und nicht merken, dass sie doch selber die Ausgeforschten für Facebook seien.
In dem folgenden Tumult, bei dem vier weitere Sonnenbrillenträger mitmischen, wird A. die Testbrille versehentlich von der Nase gerissen und zertreten.
9.
Der Richter, der all diese Fälle von Beleidigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung zu beurteilen hat, bekommt seinerseits mehrere Sammelklagen an den Hals, u.a. wegen Eingriff in die Privatsphäre, Verletzung der körperlichen Unversehrtheit sowie der Würde des Menschen.
Er hat während der Verhandlungen alle Anwesenden aufgefordert, nicht nur die Mobiltelefone auszuschalten, sondern auch die Sonnenbrillen abzunehmen, und dafür die FFP2-Maskenpflicht durchgesetzt.