Chakradi – Mir geht’s wie nie!

Dieter Michalke, 54, wenig erfolgreicher Züchter von Goldhamstern, steckt seit geraumer Zeit in einer seelischen Krise. Das Geschäft wirft zwar relativ viele Hamster, aber definitiv zu wenig Ertrag ab. Seine psychische Verfassung tendiert immer mehr in Richtung Depression. Seit Wochen schon hat er einen Strick neben dem Bett liegen, um seinem todtraurigen Dasein ein Ende zu bereiten. Allein es fehlt ihm an Kraft und Energie, um sich zu erhängen.

Menschen wie Dieter Michalke kann aber geholfen werden. In München fand vor kurzem ein sogenanntes „Power-Weekend“ statt. Dazu hat sich der so ziemlich lauteste Motivationstrainer der Gegenwart, Jürgen Höller, angesagt.

Dieser Herr Höller ist im Leben schon reichlich auf und ab gesurft. Quasi vom Tellerwäscher zum Millionär und mit einen kleinen Umweg übers Gefängnis nun wieder auf der Welle des Erfolgs. Offenbar hatte er nach seinem Durchbruch als Motivationstrainer seine Bankberater ein wenig übermotiviert. Jedenfalls schlugen sie bei der Anlage seines Geldes derartig über die Stränge, dass die Kohle mit einem herzhaften „Chakra“ im Nirwana verschwand. Oder bei den Bankberatern hängen blieb. Als Kollateralschaden erbrachten die missglückten Geldanlagen Höller einen Haufen Schulden und dem Schuldner 3 Jahre Haft wegen Meineid und Steuerhinterziehung.

Diese Zeit hat Höller laut eigener Aussage verändert. „Heute mache ich mir jeden Abend bewusst, wofür ich dankbar bin.“

Vermutlich für die Dummheit und Zahlungsbereitschaft seiner Anhänger.

Wer sich zur Jürgen-Höller-Stiftung begibt, kann Seminare buchen, in denen „die Gesetze des Lebens, nach denen das Universum funktioniert“ vorgestellt werden. Darunter macht er's nicht.

Es sind die üblichen gruppendynamischen Mätzchen, die mit billigen Allgemeinplätzen gespickt sind.

„Nur wer sich liebt, kann andere lieben. Schon Jesus hat gesagt: Liebe deinen Nächsten wie dich....“

Na? Wie geht es weiter? Ja, das Publikum auf dem „Power-Weekend“ weiß es. Es reißt die Arme hoch und brüllt: „SELBST!“ Nun ja, vermutlich macht's sonst keiner.

Ansonsten übt sich Höller in falscher Bescheidenheit. Denn obwohl er Jesus Christus zu seinem Vorbild erklärt, wartet man doch vergebens auf die Forderung ans euphorisierte Publikum nach einem Wolfgang-Petry-Ruf: „Höller, Höller, Höller“!

Beim Power-Weekend spricht dann noch ein Kollege Höllers, ein gewisser Mike Dierssen. Sein Tipp für den Erfolg: 110% geben. Nun, ein Möchtegernpsychologe ist kein Mathematiker. Andererseits muss man sich aber auch nicht wundern, dass in einer Gesellschaft, in der 25% der Beschäftigten psychische Defekte aufweisen, 100% Leistung niemals genug sein kann.

Dierssen wartet mit Aussagen über seine Kundschaft auf wie „Sie kaufen das teuerste Motoröl für Ihr Auto, aber das Olivenöl holen Sie sich beim Aldi.“

Dergleichen Lebenshilfe kann man billiger auch in den Gazetten der Burdapresse lesen. Die ist zwar ihr Geld auch nicht wert, erhebt aber wenigstens keinen Anspruch darauf, erfolgreiche Menschen zu basteln.

Für 5 Tage Seminar in der Jürgen-Höller-Stiftung kann man gut und gerne 3000 Euro berappen. Immerhin: Wenn man hinterher merkt, dass das Geld zum Fenster hinausgeworfen wurde, dann hat es doch etwas bewirkt.

Für Dieter Michalke war das Seminar übrigens ein voller Erfolg. Er kam so energiegeladen vom Power-Weekend zurück, dass er entschlossen den Strick neben seinem Bett gepackt und sich aufgehängt hat.

Anmerkung der Redaktion: Im Text vorkommenden Personen und Nagetiere sind frei erfunden. Lediglich die Figuren Höller und Dierssen sind höchst authentisch und ihre Aussagen wörtlich wiedergegeben.


PS:
Die drei Wunderbaren von der Hauptseite haben im Sommer bereitwillig vor Melchiors Kamera posiert - hoffen wir, dass ihnen das Strahlen mittlerweile nicht vergangen ist!