Das hat uns wirklich noch gefehlt!
Da tritt die Süddeutsche Zeitung eine Debatte los, die so dummköpfig und überflüssig ist, dass sie gleich unsere Bundestagsvizepräsidentin Göring- Eckardt auf den Plan ruft, und schon wird gestritten und gezankt. Benötigen wir nun einen Parlamentspoeten?

Andreas Diebold und Marina Dietz fragen:

Benötigen wir nun einen Parlamentspoeten (eigentlich wurde ja eine Poetin gefordert, aber bei dieser Männerdiskriminierung wird es sicher nicht bleiben) oder nicht?

Die Süddeutsche hat das sicher nicht gewollt. Vermutlich war es nur als Beschäftigungsprogramm für gelangweilte Feuilletonist/innen gedacht. Wenn die Kultur in Coronazeiten schon brachliegt, dann werden die Seiten eben mit kuriosen Ideen gefüllt. Aber zu spät. Der Geist ist aus der Flasche und erfüllt nun die Bundestagsvizepräsidentin.

Aber wer bestimmt die Poeten? Darüber wird sich nicht nur die Ampel zerstreiten, auch die Opposition dürfte mitbestimmen wollen. Herauskommen wird vermutlich das übliche Tamtam, wie man es von der Bundespräsidentenwahl her kennt. Das bedeutet, dass jede Partei einen für sie wählbaren Kandidaten aufstellt und am Ende gewinnt natürlich nicht der beste Poet, sondern derjenige, der von der stärksten Fraktion aufgestellt wurde. Wobei es durchaus abweichende Stimmen geben kann, was die Sache dann schon wieder spannend macht.

Heute ist Vorstellung sämtlicher Anwärter. Wir schalten deshalb gleich mal in den Bundestag zu unserem Sonderkorrespondenten.

Sonderkorrespondent:
Ja, hier begrüßt gerade die SPD ihren Kandidaten. Es ist Lothar Dombrovski, alias Georg Schramm.

Dombrovski/Schramm:
Hohes Haus! Liebe Alphatiere und was sich dafür hält, liebe Fraktionsmitläufer-Strich-innen und Hinterbänkler-Strich-Innen!
Nachdem hier so viel von Anstand und parlamentarischer Würde gefaselt wird, möchte ich auf einen alten Text zurückgreifen. Dieser Text, meine Damen und Herren, ist nicht von mir, er stammt von einem – wie Sie gleich hören werden – zeitlosen Songpoeten.
Der Text ist übrigens von 1974, meine Damen und Herren, ich hätte ihn gerne modernisiert, aber es war mir nicht möglich, denn er passt noch heute so gut ins Parlament wie der Aluhut auf gewisse Köpfe derer, neben denen aus guten Gründen niemand sitzen will.

(Wütende Zurufe von der AfD)

Aha! Ich merke, da fühlt sich jemand ertappt.

(Weitere Zurufe, Klingelzeichen der Parlamentspräsidentin)

Ich beginne jetzt mit dem Text. Reinhard Mey: Politiker

„Was kann schöner sein auf Erden,
Als Politiker zu werden?
Vom Überfluss der Diäten
Platzen dir die Taschen aus den Nähten
Du kannst dir auf leisen Sohlen
Dein Schäfchen ins Trock'ne holen
Prost, es lebe die Partei
Frisch und fromm und steuerfrei“

Von 1974, meine Damen und Herren. Haben Sie noch Fragen dazu? Ich stehe jederzeit....(Geht im allgemeinen Gebrüll unter)

Sonderkorrespondent:
Ich glaube, so hat man sich das bei der SPD nicht vorgestellt. Als nächstes folgt der Kandidat der Grünen. Offenbar hat man einen Alt-68iger, der immer noch auf lange Haare...nein, nein, es ist Anton Hofreiter. Man wollte ihm wohl die Freude gönnen, doch ab und zu im Parlament zu sitzen und reden zu dürfen. Wenn er schon nicht Minister werden durfte.

Hofreiter:

Neun kleine Grüne
Die fuhren auf ner Jacht
Der Palmer ging rasch über Bord
Da waren’s nur noch acht

Acht kleine Grüne
Die aßen gerne Rüb’n
Einem blieb's im Halse stecken
Prompt waren’s nur noch sieb’n.

Sieben kleine Grüne
Die gingen zu ’ner Hex‘
Die kochte leider nicht vergan
Bald waren’s nur noch sechs.

Sechs kleine Grüne
gerieten in die Sümpfe
der Quotenhörigkeit. Daher
Warn’s somit nur noch fünfe.

Fünf kleine Grüne
Die schrieben Bücher hier
Die eine hat viel plagiatiert
Da waren’s nur noch vier.

Vier kleine Grüne
Redeten um den Brei
Doch einer hat Klartext gesprochen
Somit warn’s noch drei.

Drei kleine Grüne
Die fühlen sich allein
Sie gingen Kompromisse ein
Bald waren’s wieder neun.

Sonderkorrespondent:
Gelächter und mäßiger Applaus im ganzen Haus, am mäßigsten bei den Grünen.

Nun wäre eigentlich der Kandidat der FDP an der Reihe. Aber es hat sich niemand gefunden, der diese Aufgabe übernehmen wollte. Schöngeistiger Neoliberalismus scheint ein Widerspruch in sich zu sein.
Ein ähnliches Problem gibt es auch bei der Linken – keine KandidatIn hat sich zu ihrem Aufruf in der TAZ gemeldet. Nur Sahra Wagenknecht soll angeboten haben, ihr Buch „Die Selbstgerechten“ in gereimter Form tagesaktuell und stückchenweise vorzutragen. Über dieses Angebot wird in der Fraktion in Klausur noch kontrovers diskutiert, sodass gegenwärtig weder Poeten noch Abgeordnete der Linken sich im Saal befinden.
Und weiter geht es mit der Opposition. Gerade führt Björn Höcke ein Bewerbungsvideo seines Lieblingskandidaten vor: Xavier Naidoo rappt sich wieder mal um Sinn und Verstand - wir hören kurz rein:

Naidoo:
Volk, erheb' dich von den Sitzen / lasse dich nicht niederspritzen /
Freiheit ist ein hohes Gut / Setz' dir auf den Aluhut/
Oh ja, la la, oh ja /
Dieser Impfstoff wird kein guter sein / dieser Stoff ist giftig und bös /
Schlafschafe, ihr dürft nicht pennen / Bald schon wird der Reichstag brennen /
Der Reichstag, er brääänt / nur weil Ihr so gepeeeent / laalaa gepeeent /

Sonderkorrespondent:
Heftiger Beifall bei der AfD, Buhrufe von den anderen Fraktionen. Die Parlamentspräsidentin dreht den Strom ab. Naidoo verstummt und verschwindet.
Ein kritischer Einwand am Rande kommt von Alexander Gauland: als Historiker hätte er es noch schöner gefunden, wenn der Sänger seinen Vortrag altrömisch gewandet und mit einer Leier zum Besten gegeben hätte.
Alice Weidel hatte zuvor schmollend den Saal verlassen. Man hört, ihre Kandidatin wäre die blonde Kabarettistin und Verfasserin eines Romans, Lisa Eckhardt gewesen, die ihre Omama so schön hinterfotzig die Wahrheit über Juden und Ausländer sagen lässt. Den Hinweis eines Fraktionskollegen, bei Frau E. handle es sich leider um eine Österreicherin, habe die blonde Alice mit der Bemerkung beiseite gewischt, es könne ja auch mal wieder einen neuen 13. März 1938 geben.

In dieser aufgeheizten Stimmung werden es CDU und CSU schwer haben, mit ihrem Favoriten durchzudringen. Die Endauswahl des Unionspoeten traf übrigens die CSU, weil Friedrich Merz mit seiner selbstverfassten Ode auf moderne Geldanlageformen selbst Parteifreunden zu peinlich war.

Und da kommt er auch schon - Wolf Biermann!

Biermann trat bereits 1998 auf der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth auf. Die „unverkrampfte, freundschaftliche Atmosphäre“ habe ihn gefreut, erklärte er danach und sein damals getätigter Ausspruch „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“ geisterte noch viele Jahre als Spontispruch der Jungen Union durch die Fluren in München.

Jessas, Biermann kommt im Trachtenjanker als „Roider Jackl“ ( für die Jüngeren: ein bekannter bayerischer Volkssänger) begleitet von der Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Siffelhofen. Die Spannung steigt ins Unerträgliche! Und da legt er auch schon los:

Biermann: (singt zur Gitarre, nach jedem Vers spielt die Kapelle eine Art Tusch).

Und jetzt hammer do a Ampel
und die is rot, gelb und grün.
Und a Ampel, die drei Farben zeigt,
ja, die moan i, die is hin!

Ja der Habeck is a Grüner,
und viel Wind, den macht er a.
Doch der unser alter Söder,
sogt, mir bleib'n beim 10 H

Und der Scholz verspricht a Führung,
weil's a so ned weitergeht.
Doch i sog, a so an Führer,
na, den gäb's in Bayern ned.

Und der Söder hockt in Minga,
denn sei Wahlsieg, der is gstohln.
Sogt er, euch brunzblede Bagage,
allesamt soll der Deifl holn....

Sonderkorrespondent:
Was ist das? In Sekundenschnelle wird das Parlament von Sicherheitskräften der GSG 9 geflutet. Biermann, seine Gitarre und die Blaskapelle Siffelhofen werden gesangs- und spielunfähig gemacht. Der Tumult im Plenarsaal will kein Ende nehmen.

Ich fürchte, die Wahl des Parlamentspoeten wird vertagt werden müssen!