Kürzlich waren wir mal wieder in England unterwegs, ja, in dem Land wo man ständig rechts überholt wird. In einem Café rätselten wir gerade darüber, wieso dieses Volk
( wir lieben es doch, wenigstens die 48,1 Prozent, die nicht für den Brexit waren)
die Marotte des Linksfahrens pflegt und auch noch all seinen Kolonialgebieten aufgedrückt hat.
Ein freundlicher Engländer am Nebentisch belehrte uns, das habe seine historischen Gründe in ganz praktischen Notwendigkeiten: der Reiter als Straßenbenutzer trug das Schwert in der Regel links, und um es schwungvoll mit der rechten Hand ziehen zu können, wenn der Räuber oder ein anderer Angreifer naht, musste er sich eben auf der linken Seite des Weges halten.
Wir hielten die Geschichte zunächst für eine Demonstration des besonderen britischen Humors aus dem Ministerium für alberne Gänge, aber eigene Recherchen zeigten: sie gilt als ernst zu nehmende Erklärung für eine allgemeine Gewohnheit, deren ursprünglicher Sinn verloren ging.
Wenn also in einem Historienfilm der edle Ritter im Hohlweg von der rechten Seite heran reitet und sich dem von links kommenden Schurken entgegen wirft, hat der Regisseur seine Hausaufgaben nicht gemacht.
Fußgänger hatten sich immer rechts zu halten und sowieso vor Kutschen und Berittenen beiseite zu springen. Erst die diktatorische Regierung unter Robespierre war es, die in Frankreich per Gesetz alle Bürger, auf Rädern, vier oder zwei Beinen auf die jeweils rechte Seite verwies. Ob der Unbestechliche damit auch auf der Landstraße ein Gleichheitsprinzip durchsetzen wollte oder einfach pragmatisch ein Verkehrschaos ordnen, ist nicht bekannt.
Napoleon beließ es bei dieser Regelung und brachte sie, neben einer tüchtigen Verwaltung und einem Königstitel, auch uns Bayern. Die Dankbarkeit der neuen Herrscher hielt sich in Grenzen, man fiel dem Eroberer bei nächster Gelegenheit in den Rücken, aber Monarchie und Rechtsverkehr blieben. Nur die Länder der Donaumonarchie kehrten nach Napoleons Rückzug wieder zum gewohnten Linksverkehr zurück, aber nicht einmal das konsequent: Vorarlberg und Tirol bewiesen regionalpatriotischen Eigensinn durch anhaltenden Rechtsverkehr.
Wem schon vor einer Autofahrt auf den britischen Inseln graust, der stelle sich folgendes Szenario vor: in Urlaubsstimmung durch Deutschland auf der rechten Seite Richtung Süden rollen, dann, eingelullt durch kurzes Weiterfahren in Tirol, plötzlich nach links wechseln müssen und schon gleich beim nächsten falschen Abbiegen den Kieberern in die Hände fallen!
Dass es nicht so kam, ist dem zu verdanken, der unsere Nachbarn damals heim ins Reich geholt, ihnen endgültig den Rechtverkehr verordnet, und uns den gerade beschriebenen Stress erspart hat, sowie Hunderte desorientierter Ösis auf deutschen Autobahnen.
Müssen wir also dem Schickelgruber wenigstens dafür dankbar sein, oder sind seine Verdienste halt doch nur ein Vogelschiss neben den angerichteten Verwüstungen?

Es gibt ja Meinungen wie die: man muss Ludwig XVI. dankbar sein, denn weil er so schlecht regiert hat, gab es die Französische Revolution.
Müssen wir also der AfD dankbar sein, weil sie uns wieder daran erinnert, wie wertvoll Demokratie ist? Oder weil sie den nicht besonders geliebten Wolfgang Schäuble jetzt als Bewahrer parlamentarischer Umgangsformen zur Hochform auflaufen lässt?

Die junge Komödiantin und Moderatorin Sophie Passmann bedankt sich im ZEIT-Magazin vom 26.Juli bei Philip aus der 8b, weil der offenbar mit seiner Häme über ihr Aussehen und Outfit bei ihr den Verteidigungsmechanismus Witz aktiviert hat. Das kann ich verstehen: mein Philip in der Oberrealschule hieß Babsi. Aber allen dankbar sein, die uns...ach nee, doch eher weniger.


Und hier noch der Link zu einem auch sonst lesenswerten Artikel über Witz und Witze:

https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/31/hannah-gadsby-comedy-programm-netflix-lob-sophie-passmann