Wollen sie mich verscheißern?
Sie können doch MICH nicht behandeln wie wir unsere Leser!!!

Dieter Hildebrandt zu Werner Schneyder in ihren Rollen als BILD-Redakteure gegen Ende der 70iger Jahre



Dietls letztes Projekt

Verleger I. aus München, bereits im vorgerücktem Alter und erfolgreicher Herausgeber von etlichen Tageszeitungen minderer Qualität, sucht neue Anlagemöglichkeiten. Er stößt auf ein Rechercheteam, das er kurzerhand aufkauft, um Subunternehmer für seine Zeitungen zu bekommen. Das Team soll die Arbeit für seine Blätter machen, damit der Verleger seine Redaktionen ausdünnen und so noch mehr Geld für neue Investitionen machen kann.

Szenenausschnitt: Verleger I. sitzt mit bedeutungsvollem Gesichtsausdruck an seinem Bildschirm und schreibt an seiner Wochenkolumne mit dem Titel „Wie ich es sehe.“ Einen Satz hat er schon: "Lärm ist für den geschäftlichen Erfolg nicht gut." Er blickt auf das Geschriebene und nickt bestätigend.


Zur gleichen Zeit.
In der Chefredaktion der trotz massiven Auflagenschwund noch immer größten Tageszeitung namens ZEITUNG sitzt Chefredakteur J. R. (wie der von Dallas, nur noch schmieriger und verschlagener) vor den Schlagzeilen des nächsten Tages: „Skandal! Frischfleisch schon wieder teurer!“

Szenenausschnitt: J. R. liest die Schlagzeile und sagt: „Stimmt genau. Apropos Frischfleisch – wo ist denn die Neue schon wieder? Heeeey!“
Eine 25jährige Blondine kommt lächelnd herein.
„Nein, du doch nicht. Ich meine die GANZ Neue. Du bist leider draußen. Für dich habe ich einen Posten im Feuilleton bei Franz Josef Nager ausgesucht. Dem gehst du ab sofort... äh... zur Hand.“
Das Lächeln der blonden Frau gefriert zur Grimasse. Sie eilt auf die Toilette und greift zu ihrem Handy. „Ist da das Rechercheteam? Ich habe es mir überlegt. Ich bin jetzt dabei.“


2 Tage später
Die alte Konzernchefin denkt an früher. Lange her, dass sie das Ruder im Laden übernommen hat, lange her, dass sie mit ihrem Aphorismus „Wenn ein Springer ruft, haben Sie zu springen“ bewiesen hat, dass hier Schach nach anderen, nach IHREN Regeln gespielt wird.
Aber sie hat ihr Haus bestellt. Gut bestellt sogar. Dennoch sieht sie sich heute gezwungen, zum Telefon zu greifen und ihren Vorstandsvorsitzenden anzurufen.

Szenenausschnitt:
Konzernchefin: „Du weißt, weswegen ich anrufe!“

Vorstandsvorsitzender: „Ich ahne. Unser J. R., hm? Hat der Bock wieder übertrieben? Was soll's, er ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeits-Staat aufbegehrt. Er leistet die beste Arbeit, wenn er gut motiviert ist und gut motiviert ist er, solange er seine Flittchen...“

Konzernchefin: „Es geht nicht um ihn, es geht um Amerika.“

Vorstandsvorsitzender: „Ich sehe da kein Problem. Der Kauf ist so gut wie unter Dach und Fach. Wir liefern Amerika konservative News für die Republikanerwähler und wir kriegen dafür Neuigkeiten aus der konservativen Ecke für unsere Blätter. Eine win-win-Situation. Keinen jucken die Sex-Eskapaden von J. R. in Deutschland. Ich weiß noch gut, wie wir beide uns damals kennen...“

Konzernchefin: „Das Verhalten von J. R. hat sich schon bis in die USA herumgesprochen! Und du kennst die Amis. Puritanisch bis zum Kotzen. Für das Vergnügen, uns in Amerika einzukaufen, lassen wir 1 Milliarde springen. US Dollar! Das wird mir dieser notgeile Gockel nicht torpedieren.“

Vorstandsvorsitzender: „Ja, ja, schon gut. Pass auf, wir lassen den Burschen jetzt 2 Wochen schmoren und behaupten, wir würden die Vorwürfe untersuchen. Danach darf er weitermachen, aber wir stellen ihm den Drachen aus der ZEITUNG AM SONNTAG gleichberechtigt zu Seite. Das ist dann eher eine lose-lose-Situation. Jedenfalls für die beiden! Und wir haben Ruhe.“



3 Monate später.
Chefredakteur und seine Aufpasserin bei der ZEITUNG sitzen sich gegenüber und studieren die Schlagzeilen: „Trotz hoher Preise. Verkehr nimmt weiter zu.“

Szenenausschnitt: J. R. sieht an sich herab und murmelt: „Schön wärs.“
Seine Aufpasserin grinst höhnisch.


5 Wochen später.
Die Konzernchefin greift einmal mehr zum Telefon, um den Vorstandsvorsitzenden anzurufen.

Szenenausschnitt:
Konzernchefin: „Ich dachte, wir haben die Sache im Griff!“

Vorstandsvorsitzender: „Hatten wir auch. Aber da gibt es Schmierer von so einem Rechercheteam, die sind schon seit einiger Zeit dabei, Dreck auf uns zu ippen...kippen. Aber kein Problem, ich kenne den Verleger. Ich red' mit ihm.“

Konzernchefin: „Tu das!“


2 Minuten später.
Telefonat des Vorstandsvorsitzenden mit dem Verleger.

Vorstandsvorsitzender: „...wollte ich mich wirklich nur nach Ihrem Gesundheitszustand erkundigen. Mein Anruf hat selbstverständlich nichts mit den Recherchen Ihres vor kurzem zugekauften Redaktionsteams zu tun, das sich gerade die Redaktion unserer ZEITUNG vorknöpft.
Es wäre ja auch wirklich kein schöner Zug von mir, bei Ihnen zu intervenieren oder gar die Unterlassung der Veröffentlichung zu fordern, nur weil wir eine Teilauflage unserer ZEITUNG ausgerechnet bei Ihnen drucken lassen, also zur Zeit noch, bis auf Weiteres, gell?
Ja, es gibt Dinge, die muss man sich immer vor Augen halten.
Und es soll ja auch nicht der Eindruck entstehen, Sie wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden. Das fällt dann auf Sie zurück.
Tja, das war es schon, was ich Ihnen mitteilen wollte. Wiederhören!



4 Tage später.
Das Rechercheteam stellt die Ergebnisse seiner monatelangen Tätigkeit vor. Alle Zeitungen des Verlegers können darüber berichten, federführend sei die Frankfurter Rundschau.

Szenenausschnitt:
Verleger: „Das ist gut, das ist sehr gut, ausgezeichnet. Aber wir werden das nicht bringen. Es soll ja nicht der Eindruck entstehen, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden. Das fällt dann auf uns zurück. Tja, das war es schon, was ich Ihnen mitteilen wollte.“


Noch am gleichen Tag.
Das Rechercheteam schwankt zwischen Empörung und Niedergeschlagenheit. Was kann man jetzt noch tun? Soll die ZEITUNG triumphieren? Schließlich reift eine Idee. Im puritanisch-verklemmten Amerika wäre man, zumal in ME-TOO-ZEITEN, sicherlich sehr interessiert an einem Artikel über einen sexistischen Chefredakteur, der sich reihenweise Mätressen zulegt und sie nach Gebrauch bei anderen Redaktionen endlagert. Besonders, wenn dieser Chefredakteur für einen Konzern arbeitet, der gerade dabei ist, sich in ihrem Land einzukaufen und dort dicke Geschäfte zu machen.


1 Woche später. Szenenausschnitt:
"Die Dokumente, die ich gesehen habe, zeichnen das Bild einer Arbeitskultur, die Sex, Journalismus und Firmengeld vermischten", schreibt der führende Kolumnist der "New York Times". Das Blatt widmet der ZEITUNG samt sexlüsternen Chefredakteur einen langen Artikel. In Deutschland hängt sich der SPIEGEL an die Geschichte an.



Wenige Stunden später.
Es kommt es zu einem weiteren Telefonat. Diesmal der Vorstandsvorsitzende mit dem Chefredakteur der ZEITUNG.

Szenenausschnitt:
Vorstandsvorsitzender: „Ich sag' es mal mit Trump: DU BIST GEFEUERT.“



Anmerkung Dietl:
Im Showdown häufige Breaks. Immer wieder den Wechsel zeigen zwischen dem geschassten J. R., der mit ausdruckslosem Gesicht die Redaktion der ZEITUNG verlässt (dramatische Musik einblenden) und der Konzernchefin, die in Amerika den Milliardendeal mit der US-Zeitung unterschreibt (feierliche Musik einblenden).

Ganz am Ende noch eine kurze Szene mit dem Verleger aus München, der wieder am Bildschirm sitzt und an seiner Kolumne mit dem Titel „Wie ich es sehe“ arbeitet. Er schreibt nur zwei Worte: So nicht!
Dann blickt er den Text an, schüttelt den Kopf und löscht ihn wieder.

Ende
Notiz Dietl: Bei Erfolg zweite Staffel planen. Arbeitstitel: Die Rückkehr des J. R.