…denn er möchte nichts weniger als den Waldbeauftragten der Bundesregierung als Paten für das neue Kur-und Waldbade-Heilbad Bad Hintertupf-Niederfels gewinnen, wie er heute den Ausschussmitgliedern erklärt. Er zitiert dabei diesen Waldbeauftragten, der kürzlich sogar die gesetzlichen Krankenkassen aufgefordert habe, die Ausbildung von Waldpädagogen finanziell zu fördern und Gesundheitskurse im Wald anzubieten, denn „es ist erwiesen, wie hilfreich der Wald zur Vorbeugung und zur Behandlung von psychischen und körperlichen Krankheiten ist“.

Diesem Zitat spenden die Anwesenden kräftigen Applaus, nach einigem Zögern auch der Apotheker des Orts, denn wenn die Ärzte künftig ihre gesetzlich versicherten Diabetiker, Epileptiker und Depressiven in den Wald anstatt zu ihm schickten, würde zwar sein Umsatz zurück gehen, andererseits wäre er den Ärger mit diesen frustrierten Kunden los, die immer öfter ihre von den Kassen genehmigten billigen Medikamente nicht bekommen, weil die billigen ausländischen Firmen unzuverlässig produzieren und liefern.

Dann fragt die Schriftführerin nach dem Namen des Waldbeauftragten, an den die Petition zu richten wäre - wie bitte? Gajus Julius Cäsar? Nein, Cajus mit C heiße der Mann in Berlin, der andere Cäsar sei nur sein mutmaßlicher Vorfahr. Einige Ausschussmitglieder schütteln den Kopf, die junge Vertreterin der Grünen meint kichernd, dieser Gaius Julius Cäsar sei doch bekanntlich nur eine Comic-Figur aus der Asterix-Reihe.

Noch bevor der Vorsitzende etwas erklären kann, greift der pensionierte Oberstudienrat ein: wenn der lebende Cajus Julius Cäsar ähnlich fantastischen Ideen anhänge wie sein Ahnherr, sei er nicht geeignet als Schutzherr für das künftige Waldbad Hintertupf-Niederfels, denn der historische Gaius Julius Cäsar sei ein rechter Märchenonkel gewesen. Und dann zitiert der Lateinkundige frei aus dem Gedächtnis und mit geschulter Stimme aus Cäsars (des alten!) Werk „De Bello Gallico“:

„… Daneben gibt es Tiere, die Elche genannt werden. Sie sehen ähnlich aus wie Ziegen und haben auch ein buntes Fell. Sie sind jedoch etwas größer als Ziegen, haben stumpfe Hörner und Beine ohne Gelenkknöchel. Sie legen sich zur Ruhe nicht nieder und können nicht wieder auf die Beine kommen oder sich wenigstens vom Boden erheben, wenn sie zufällig zu Fall kommen und stürzen. Sie benutzen daher Bäume als Ruhestätten; daran lehnen sie sich und können so, etwas zur Seite geneigt, ausruhen. Wenn Jäger aus ihren Spuren herausfinden, wohin sie sich gewöhnlich zur Ruhe zurückziehen, untergraben sie von den Wurzeln her alle Bäume an dieser Stelle oder schneiden sie nur so weit an, daß der Eindruck erhalten bleibt, als stünden die Bäume fest. Wenn sich die Tiere nach ihrer Gewohnheit daran lehnen, bringen sie mit ihrem Gewicht die ihres Halts beraubten Bäume zu Fall und stürzen zusammen mit ihnen um. Ebenso…“

Zum Glück bricht an dieser Stelle der Kassenwart mit einem Anfall von Unterzucker zusammen und muss mit einer Gummibärchenspende der Grünen wieder gestärkt werden. Daraufhin drängt der Vorsitzende zur Abstimmung über die Bittschrift an den Waldbeauftragten; die Zustimmung erfolgt mit einer Enthaltung ( der Oberstudienrat) und einer Gegenstimme (der Kassenwart, der auch Kassenpatient ist).

Die Versammlung verlässt den Saal; den Mann, der hinter ihnen abschließt, beachtet man nicht. Es ist aber kein anderer als Hubert Bromberger, der nach dem Ende seiner Karriere als Waldbademeister nun als Hausmeister der Mehrzweckhalle sein Auskommen gefunden hat. Durch eine Abhöranlange hat er im Nebenraum die Sitzung verfolgt, und er geht nach Hause mit einer Vision: Waldbadende, die unauffällig angeschnittene Stämme heftig umarmen, mit ihrem Gewicht die ihres Halts beraubten Bäume zu Fall bringen und zusammen mit ihnen umstürzen. Vor dem Schlafengehen sucht Bromberger noch im Internet Angebote für besonders geräuscharme Motorsägen.

Auch der Oberstudienrat verbringt den Restabend mit Recherchen vor dem Computer. Er vermutet nämlich, genau wie ihr, unsere LeserInnen, dass die Geschichte mit dem Waldbeauftragten Cäsar und seiner Empfehlung an die gesetzlichen Krankenkassen ein schräger Scherz ist.

Jedoch er irrt sich, genau wie ihr.