...Daraufhin erschien mir dieses Exemplar in den folgenden Tagen immer wieder kurz vor dem Einschlafen, wedelte hilflos mit seinen geknickten Buchdeckeln und schaute mich vorwurfsvoll mit seinen verwischten Kapitelüberschriften an.

Deswegen verleihe ich gerne Bücher, rede ihnen gut zu, es sich im neuen Zuhause gemütlich zu machen, aber es hilft nichts, sie kommen immer wieder zu mir zurück, trotz des Gedränges in meinen Bücherregalen.

Einfach verschenken, höre ich da? Her mit der Adresse! Ach so, die Kita „Zwergen-Nest“ kann nur abwaschbare Wimmelbücher brauchen, ja dann.

Eine etwas aufwändige Art der Entsorgung nicht mehr gebrauchter Literatur praktiziert mein Studienfreund G.in M.: Bekannte erhalten von ihm seit einiger Zeit ungefragt Bücherpakete mit dem scheinheiligen Begleitschreiben, man habe doch sicher schon lange auf diese schöne Gesamtausgabe von „Hanni und Nanni“ oder die kurze Einführung in das Sexualstrafrecht von 1958 gewartet. Das ist Heimtücke und kommt für mich nicht in Frage.

Die neu eingerichtete Büchertauschzelle in unserem Ort war schon in der ersten Woche so voll gestopft, dass man, um ein Buch los zu werden, mindestens zwei wieder mitnehmen musste. Ich fürchte den Augenblick, da die Abstände zwischen Zweit-und Drittregalen zu eng zum Durchkommen ins Bett werden.

Dann habe ich Mata-Books entdeckt:
https://www.matabooks.de


Ein kleiner Verlag in Dresden, der, streng vegan, Bücher nur aus Gras herstellt, aber auch zusätzlich in die Buchdeckel Pflanzensamen einarbeitet. So könnte, in gute Erde gesetzt, auch ein fades Buch uns wenigstens ein paar bunte Blüten oder vitalisierende Kräuter schenken.

Endlich mal eine gute Idee aus Veganwahnien, und endlich eine befriedigende Zweitnutzung für abgestandenes Schrifttum! Der neueste Houllebecq mit Pilzsporen im Deckel treibt auf dem Kompost prächtige Stinkmorcheln ( Phallus impudicus), der neue Jahres-Walser schenkt uns im Blumentopf noch ein Kissen aus Immergrün und herzigen Vergissmeinnicht. Ziegelsteindicke Thriller aus den USA und hoch gelobte deutsche Debutromane werden uns wenigstens einen Quadratmeter Wiesenblumen liefern, als Ersatz für verlorene Lebenszeit beim Lesen.

Leider hat sich diese originelle Recycling-Idee, der ich viel Erfolg gewünscht hätte, bisher im Verlagsbereich nicht verbreitet, und Mata-Books produziert immer noch überwiegend Kalender und Notizbücher, blühfähig nur im Sonderfall.

Was tun? An Buchhandlungen vorbei eilen wie an ungesunden Frittenbuden? Allen netten Leuten mit dem Abbruch der Beziehungen drohen, wenn sie zum Geburtstag noch einmal mit diesen rechteckigen flachen Päckchen ankommen?

Vielleicht schicke ich demnächst Freund G. in M. doch ein dickes rechteckiges Paket, und gönne mir eine Tüte Wiesenblumensamen als Abendlektüre.








Ich war ein SPIEGEL- Bestseller