Der Aufreger der letzten Woche war die Videoaktion "allesdichtmachen". 53 Schauspieler/innen drehten kurze Videoclips, zumeist nicht aus ihrer Feder stammend, in denen sie die Maßnahmen der Regierungen kritisierten.
Weil diese Maßnahmen nach außen hin gut geheißen wurden und am Ende jeder Sequenz noch aufgerufen wurde, eben diese Coronamaßnahmen der Regierung zu unterstützen, nannten sie es Satire und waren damit fein raus, weil Satire nach Tucholsky ja bekanntlich alles darf.

Oder doch nicht?

Es hagelte jedenfalls Kritik. Es gab Entsetzen, grobe Anfeindungen und Beschimpfungen auf der einen Seite, aber auch Billigung und Verständnis. Letzteres hauptsächlich aus der konservativen Ecke. Die Rechtsextremen jubelten euphorisch.

Um nicht irgendwelche Stellungnahmen nachzuplappern, habe ich selber alle durchgenudelt. Leider war es so langer Mühe nicht wert. Die Art und Weise der Kritik war fast immer die gleiche. Ein 4 Minuten langes Video, in dem Jede(r) nur einen Satz spricht, hätte den gleichen Sturm ausgelöst, mir aber eine gute Stunde sinnvollere Lebenszeit ermöglicht.

Aus dem dünnen Videobrei ragten lediglich zwei Beiträge heraus, nämlich die von Nicholas Ofczarek und Nadine Dubois.
Ofczarek charakterisiert einen Ordnungsmenschen, dem aus seiner Sesselsicht jede Freiheit von vornherein suspekt ist und sich daher auch nach der Pandemie für strenge Maßnahmen der Regierung ausspricht.
Dubois gibt eine junge Spießerin, die mit dem Finger auf alle zeigt, die im Freien herumspazieren und sich gut fühlt, wenn sie sich alleine in ihren Garten legt - weil sie ja einen hat.

Einige wenige Clips sind so gestaltet, dass einen die freudige Reaktion der AfD nicht wundern muss. Das dürfte vom Organisator einkalkuliert gewesen sein. Die Medienpräsenz war den Videos damit sicher und es findet sich auch ein Clip, der sich mit dem Beifall von der falschen Seite auseinandersetzt. Dies aber in der sinnfreien und verschwurbelten Art und Weise, welche die allermeisten Kurzvideos auszeichnet.
Den Schlusspunkt setzt dann Hanns Zischler mit einer schon dadaistisch anmutenen Szene, in dem er sich von allem und alles distanziert. Sogar von sich selber.
Dieses komplette Infragestellen soll vermutlich den Kunstanspruch legitimieren.

Zu recht? Kunst mag die schauspielerische Leistung der meisten Protagonisten sein, sieht man von einigen Jungschauspielern ab, bei deren Namen ich schon gescheitert bin, weil man ihnen so etwas wie Artikulation nicht richtig beigebracht hat. Die Texte selbst sind bis auf die Sequenzen von Ofczarek und Dubois jedenfalls nicht weiter der Rede wert.

»Wir hätten vielleicht mehr das sagen sollen, was eigentlich gemeint ist«, meinte Meret Becker hinterher in selbstkritischer Reflexion. Sie hat ja so recht.

"allesdichtmachen" hätte ein wunderbares facettenreiches Panoptikum widerstreitender Argumente werden können, an deren Ende man zwar auch keine Lösung hat, aber erkennt, dass es in einer Pandemie einfache Lösungen nicht gibt.

Chance vertan. Jetzt haben sie nicht nur den Salat, sondern auch noch die unverlangte Solidarität von den Rechten, die „allesdichtmachen“ mit Vergnügen instrumentalisieren.

Nun bräuchte es den vielbeschworenen offenen Diskurs. Dass unsere Gesellschaft dazu nicht fähig ist, zeigen die Reaktionen überdeutlich. Beim RBB hat bereits ein Rundfunkrat Konsequenzen für die Schauspieler gefordert und ein abgehalfterter Minister aus NRW stößt ins gleiche Horn. Eine größere Freude kann man der AfD nicht machen!

Und sollte es tatsächlich soweit kommen, dass Schauspieler keine Arbeit mehr bekommen, weil sie sich bei "allesdichtmachen" eingebracht haben, muss man sich in der Tat die Frage stellen, ob wir nicht doch auf eine Meinungsdiktatur zusteuern.

Wir hatten diese Debatte bereits bei Dieter Nuhr erlebt. Nuhr, der nach wie vor seinen Sendeplatz hat, musste seinerzeit nach seinem Kleinkunstvortrag wochenlang erklären, was er eigentlich gemeint habe mit seinen Pointen. J. J. Liefers eilt nun auch von Sender zu Sender und erklärt in Interviews, was der Sinn der Aktion war.

Wenn aber eine Satire nicht selbsterklärend auf einen halbwegs mit Hirnsubstanz ausgestatteten Menschen wirkt, dann taugt sie nichts. Punkt.

Kunst, die nichts taugt, gehört jedoch nicht verboten. So viel Freiheit müssen wir aushalten, dass wir schlecht gemachte Satiren oder Haltungen, die uns zuwiderlaufen, nicht verbieten, sondern links oder rechts liegen lassen. Nuhr, dessen kabarettistische Fähigkeiten ich als unterdurchschnittlich empfinde, schaue ich mir nicht an. Seine Abschaltung zu fordern, ist das Gutheißen von Zensur. Aber für den gemeinen Shitstormer ist es eben bequemer, einen in Klimafragen schlecht reflektierenden Kabarettisten den Stinkefinger zu zeigen, als sich beispielsweise bei Lobby-Control zu engagieren, die der Politik und den Energiekonzernen auf die Finger schaut. Das kostet nämlich Geld.

Mit selbstgerechten Repressionen oder blinden Hasstiraden auf gut gemeinte, aber mißlungene Kunststücke zu reagieren, ist leicht. Bei Menschen, die noch dafür zugänglich sind, könnte man auch versuchen, mit Gegenargumenten aufwarten. Die zunehmende Unfähigkeit dazu zeigt nur, wie unterbelichtet unsere Gesellschaft doch ist.